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Beispiele aus dem Stil-Lektorat

Sind eure Formulierungen eindeutig?




Eindeutigkeit der Formulierungen


Heute habe ich einen Ausgangstext aus "Am liebsten zusammen" von @chrislivinas_leselust für euch. 

Vielen Dank, liebe Chris, für die freundliche Erlaubnis zum Zitieren.

⬇️
"Oh nein, nicht schon wieder eine Schwalbe. Ich hab gestern Fenster geputzt und jetzt ist schon wieder eine gegen die Scheibe gedonnert." 
⬆️

Für die Autorin liegt der Sinn klar auf der Hand.   

Ohne Kontext könnte der Lesende den Satz jedoch auf zweierlei Arten interpretieren.

Entweder:

💜 1) Ständig fliegen Schwalben gegen Lins Fenster, und sie ärgert sich nun, dass schon wieder eine davon ihre frisch geputzte Scheibe befleckt. 

💜 2) Ständig fliegen Schwalben gegen Lins Fenster und es tut ihr Leid, dass die armen Geschöpfe Opfer Ihrer Putzerei sind.

Die erste Interpretation wirft ein sehr schlechtes Licht auf die herzlose Protagonistin, die zweite ein ziemlich gutes, immerhin empfindet sie da Mitleid mit dem Tier. 

"O nein, meine Scheibe" vs. "O nein, die Schwalbe". 

Der Lesende denkt nicht länger über den Satz nach, unterbewusst jedoch manifestiert sich das Bild über die Protagonistin.  

Eine eindeutige Formulierung beugt Missverständnissen vor. 

Mein Vorschlag wäre: 

⬇️
Lin rannte zum Fenster.
"O nein, schon wieder eine arme Schwalbe,
die sich mit meiner blitzblanken Scheibe angelegt hat."
⬆️

Was meint ihr dazu? 

Liebe Grüße

Katharina